„Für mich liegt der Wert des Essens im geselligen Ereignis.“
Wenn man ihn Sonntags in seiner Stadt allein spazieren gehen sieht, da wirkt er anders. In Jeans, weißem Hemd und brauner Lederjacke, scheint er wie ein schlichter, harmloser Bürger. Tief versunken in seinen Gedanken, flaniert er entlang der großen Schaufenster im Geschäftsviertel Thessalonikis. Da nimmt man ihm sein junges Alter auch noch ab. Wer Hasdai Capon allerdings nur von der Arbeit kennt, ist von seiner sonntäglichen Erscheinung gänzlich irritiert. Montags bis Freitags hat dieser Mann nur wenig Zeit zum Träumen. Sein dunkler Anzug, seine Halbglatze, der ernste Blick durch die leicht schlitzigen Augen und seine tiefe, sehr selbstbewusst klingende Stimme, lassen den 48jährigen Griechen jüdischer Abstammung reifer erscheinen, als er in Wahrheit ist. Seine hohe, verantwortungsvolle Position als rechte Hand von Jiannis Boutaris, des im Januar frisch gewählten Bürgermeisters der nordgriechischen Metropole, wurde Capon nicht in die Wiege gelegt. Auch wenn ihm mit Boutaris eine lange familiäre Beziehung verbindet. Capon war von Kindesbeinen an eng mit den Kindern des Bürgermeisters befreundet. Seit fast 20 Jahren berät er nun schon die Winzerfamilie Boutaris in Firmen- und Finanzangelegenheiten. Dass ihm das mit Bravour gelingt, verdankt er einer qualifizierten Ausbildung.
Capon wurde im August 1963, als Mitglied einer in Thessaloniki alteingesessenen jüdischen Familie, geboren. Die jüdische Gemeinde von Thessaloniki blickt auf eine 2000 jährige Geschichte zurück. Er besucht das englische Privatkolleg „Anatolia“ von Thessaloniki. Zum Studium schickt man ihn ins Rich College nach Portland/Oregon. Dann geht’s weiter in die London School of Economic. Anschließend geht Capon wieder nach Amerika. In der Georgetown University von Washington DC absolviert er sein „MBE“ (multistate bar exam), bevor er wieder zurück nach Thessaloniki kommt und für ein Jahr bei der Citibank eine Anstellung findet.
Es folgt, der für Griechenland obligatorische Militärdienst. Sofort danach gründet er mit Freunden die Maklerfirma „Axias“. 1994 eröffnet er das Omega Maklerbüros und im Jahr 2000 die OMEGA-Bank. Hinzu kommen die “Omega Insurance” und “Omega Venture Capital”. Nach dem Zusammenschluss von Omega-Bank mit der ansässigen Protonbank im Jahr 2006, zieht sich Capon langsam aus den leitenden Positionen, die er überall innehat, zurück. Von 2000-2008 ist er ebenfalls aktives Mitglied im Rat der jüdischen Gemeinde Thessalonikis und im Zentralrat der Juden Griechenlands.
„And that´s where it is today”, sagt er kurz und bündig, während er sich in seinem Bürostuhl im Stadthaus von Thessaloniki für einen Moment zurück fallen lässt.
Kein Jahr ist es nun her, dass er mit Jiannis Boutaris in den Vorwahlkampf zog. Er tat dies aus Überzeugung, denn er gehörte zu jenen Bürgern Thessalonikis, die zu diesem Zeitpunkt verzweifelt über die politische Führung ihrer Stadt waren. Capon beschreibt diese Zeit als „romantische Reise“. Und seine Arbeit trug auch in diesem Fall Früchte. Boutaris gewann die Wahl in November 2010 und Capon erinnert sich gerne an diesen, wie er sagt, „Augenblick verrückter Freude“ gerne zurück. Damit hat er aber etwas erreicht, was viele Juden Thessalonikis sich schon lange gewünscht haben. Er ist das erste Mitglied der jüdischen Gemeinde, dass nach dem 2. Weltkrieg ein Amt in der Stadtverwaltung bekommen hat. Und was für ein Amt! Er ist Vize-Bürgermeister. Zuständig für Entwicklung und Finanzorganisation. Seine Aufgabe ist, die Beschaffung, Verwaltung und Verteilung von Geldern an alle wichtigen Stellen. „Und darauf bin ich sehr stolz“, betont er kurz. Überhaupt ist, sich kurz zu fassen und schnell zu handeln, sein Markenzeichen. Denn Capons Zeit ist sehr voll und knapp bemessen. Während er in seinem Büro zur gleichen Zeit berät, kalkuliert, telephoniert und reklamiert, bleibt seine Tür stets geöffnet. Transparenz ist ihm auch in punkto Geldangelegenheiten sehr wichtig. Besonders jetzt, wo er das Schicksal der Stadt in seinen Händen mitträgt. Die Gemeinde Thessalonikis steht, so wie nahezu alle Gemeinden Griechenlands, kurz vor dem Bankrott. Da will Capon bei den Ausgaben klug abwägen und das Geld seiner Mitbürger sinnvoll einsetzen. Sein Ziel ist vor allem: wirtschaftlich aufzuräumen. Darüber hinaus will er ein Kontrollsystem entwickeln, um die Ein- und Ausgaben transparenter und offener nach außen zu vermitteln. Zweites großes Ziel ist die Teilnahme an europäischen Förderprogrammen. Etwas, dass die Gemeinde Thessalonikis bisher gänzlich versäumt hat. Last but not least, der Tourismus. “Wir haben endlich einen Bürgermeister in dieser Stadt, und das ist der Grund warum ich mit ihm bin, der daran glaubt, dass Thessaloniki ihre Geschichte nach außen präsentieren muss. Diese Vergangenheit ist jüdisch, osmanisch, byzantinisch. Ergo müssen unsere Bemühungen auch in diese Richtung gehen“, erklärt er.
Capons Wahl ins Stadtparlament ist von den Bürgern Thessalonikis sehr positiv aufgenommen worden. Er war als erfolgreicher Geschäftsmann längst anerkannt und deshalb für diesen Posten so überaus wichtig. Schließlich muss es in Zeiten der Krise einen geben, der den „No-Man“ spielt, glaubt er. Und wenn es in Thessaloniki einen gibt, der in punkto Geld einmal Nein sagen kann, dann ist es er. Hasdai Capon muss täglich viele Projekte und Pläne ablehnen. Er ist streng, sogar zu seinem Bürgermeister. Er hat sich bewusst entschieden, die Rolle des Bösen zu übernehmen. Nun, wenn er des Sonntags so durch die Strassen seiner Stadt flaniert und ein wenig Zeit zum Träumen hat, nein, dann sieht man es ihm wirklich nicht an, dass er das alles kann.
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