Vortrag in Ellwangen über Flüchtlinge in Griechenland

Grenzbegegnungen - Aus dem Tagebuch einer Journalistin

Grenzerfahrungen, das Thema der Friedensdekade 2015, Grenzbegegnungen - aus dem Tagebuch der Journalistin Marianthi Milona war der Vortrag auf Einladung des Treffpunkt Nord-Süd Weltladen überschrieben.

Die griechisch-deutsche Journalistin Milona, aufgewachsen in der Eifel, seit zehn Jahren wieder mit dem Lebensmittelpunkt in Thessaloniki/Griechenland, von wo aus sie überwiegend für den deutschen Hörfunk über Griechenland berichtet.

Im Palais Adelmann werden an diesem Abend ihre Begegnungen mit Flüchtlingen und den Fluchtbedingungen auf den griechischen Inseln der Ägäis und der Dodekanes entlang der türkischen Küste thematisiert. Milona war es ein Anliegen die Diskrepanz aufzuzeigen, zwischen dem Idyll der griechischen Inseln, dem Urlaubsparadies und den Problemen die dort mit den zahlreichen Flüchtlingsankünften von den Inselbewohnern zu bewältigen sind. Dies gelang ihr sehr gut mit anschaulichen Bildern und Geschichten.

Die kleine Insel Agothinisi wird von gerade mal 150 Einwohner über den Großteil des Jahres bewohnt, im Sommer beherbergt sie schon mal doppelte so viele Menschen. Trinkwasser bekommt die Insel per Schiff, ebenso alles andere was auf der kargen Insel nicht produziert werden kann, also beinahe alles außer Käse, Ziegenfleisch und Fisch. Auf diesem Inselchen kommen seit dem Frühjahr täglich Flüchtlinge an, mal 100 mal mehr Personen, sie kommen auf der dem türkischen Festland zugewandten Seite an. Diese Flüchtlinge müssen in der kleinen Polizeistation – zwei Polizisten, zwei Räume - der Insel erfasst und danach weitergeschickt werden. Milona stellte die Inselärztin vor und ihre Versuche unbürokratisch zu helfen, obwohl sie sich durch die Umstände in einer Situation von ständiger Überforderung und Stress befindet. In lebensbedrohlichen Situationen ist schnelle Hilfe beinahe unmöglich, denn das nächste Krankenhaus ist nur mit dem Schiff zu erreichen und auch der angeforderte Hubschrauber schafft es nicht innerhalb von 15 Minuten zum nächsten Krankenhaus. Die Wirtin der kleinen Taverne kocht zweimal täglich für die Flüchtlinge, dabei trägt sie mit ihrer kohlenhydratreichen Kost dem geschwächten Zustand der Flüchtlinge Rechnung. Diese und andere Inselbewohner bezeichnete Milona als Heldinnen im Flüchtlingsalltag, denn ohne ihre Hilfe wäre dieser Alltag nicht zu bewältigen. Dafür blieben die Touristen, die in normalen Jahren das Einkommen der Inselbewohner aufbessern, in diesem Jahr aus!

In einem Staat, der von seiner wirtschaftlichen Situation sehr gebeutelt ist, sind die Flüchtlinge auf die Mitmenschlichkeit der Bewohner angewiesen, damit sie überleben. Doch leider überleben nicht alle Flüchtlinge. Wie viele Menschen auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken sind oder auf andere Weise ums Leben kamen? Niemand kennt ihre Zahl! Die Toten auf der Flucht haben oftmals keine Ausweise bei sich, oft nur weniges was für eine Identifikation hilfreich sein kann. Sie werden fotografiert und es wird festgehalten, was sie bei sich hatten, um mittels normaler Polizeiarbeit evtl. der Person näher zu kommen. Wenn entsprechende Hinweise auf eine Religionszugehörigkeit gefunden werden, bekommen die Toten ein passendes Begräbnis. Tröstlich in all dem Elend, dass versucht wird, den Toten ein menschenwürdiges Begräbnis abzuhalten! Hier schildert Milona exemplarisch die Bemühungen eines Imams der seit 23 Jahren auf Kos lebt und die namenlosen Toten beerdigt. Erst zwei oder dreimal gelang es ihm in all den Jahren Angehörige eines verstorbenen Flüchtlings zu finden, die zum Begräbnis auf die Insel kamen.

Christine Ostermayer versprach in ihrer Begrüßung einen anderen Blick auf das gesellschaftsrelevante Thema der Flucht, Marianthi Milona hat dieses Versprechen mit ihrem eindrücklichen und empathischen Bericht über die Grenzbegegnungen eingelöst. In ihrem Schlussplädoyer appelliert Milona nochmals an die Politik anstatt in Grenzzäune in sichere Fluchtwege zu investieren, eine Korridor Lösung scheint ihr passend. Dadurch werden den Schleusern ihr Handwerk zumindest zu erschwert und die Flüchtlinge in ihrer unglücklichen Lage nicht auch noch zu kriminalisiert. Denn eines steht für Milona felsenfest, wer den schwierigen Weg bis nach Griechenland geschafft hat, der lässt sich nicht durch Grenzzäune von seinem Ziel abhalten.

Für alle die den Bericht von Frau Milona konzentrierter Form nachhören möchten hier der link zum Deutschlandfunk:
http://www.deutschlandfunk.de/griechenlands-fluechtlingskrise-die-namenlosen-toten-der.1247.de.html?dram:article_id=326301


Tickets in den Tod

Deutsch-griechische Journalistin Marianthi Milona spricht über Grenzerfahrungen

Ein Bericht von Dr. Petra Rapp-Neumann
in der Ipf-und Jagstzeitung der Schwäbischen Zeitung

Ellwangen (R.) – Auf Einladung des Treffpunkts Nord-Süd-Weltladen hat Marianthi Milona, Journalistin mit griechischen Wurzeln, über tragische Schicksale von Flüchtlingen gesprochen, von denen manche auf ihrem Weg nach Europa nicht die Freiheit, sondern den Tod finden. Eindrücke ihres Reisetagebuchs schilderte sie im Vorfeld der Friedensdekade im Palais Adelmann und im Hariolf-Gymnasium.
Marianthi Milona, in Thessaloniki geboren, hat in Köln studiert und ist überwiegend für den Hörfunk tätig. Im Frühjahr reiste sie auf den Spuren der Flüchtlinge, die damals noch in geringerer Zahl übers Mittelmeer kamen, auf die Inseln Samos, Agathonisi und Kos. Wie viele namenlose Tote es in der Ägäis gibt, weiß niemand. „Es sind schreckliche Biografien. Viele Menschen kauften sich Tickets nicht in die Freiheit, sondern in den Tod“, sagte Milona. Auch jene, die dem Meer entkamen, waren am Ende. Im Hafen von Samos und im Touristenziel Pythagorion traf die Journalistin auf gestrandete Menschen, überforderte griechische Polizisten, fragwürdige Küstenwächter und Einheimische zwischen Mitgefühl und Bangen um die Urlaubssaison. Beamte gingen an ihre Grenzen, um Flüchtlinge zu registrieren, die Bevölkerung kochte für sie. Wenn Schiffskapitäne sich weigerten, sie von anderen Inseln nach Samos zu bringen, kamen sie mit Fähren.
Grenzerfahrungen im doppelten Sinne
Auf der kleinen „Unschuldsinsel“ Agathonisi, die ihre Unschuld in diesem Jahr verloren hat, leben rund 180 Einheimische von Fischfang, Ziegen und Tourismus. Normalerweise. In dieser Saison gab es kaum zahlende Gäste. Zwei Hafenpolizisten kümmerten sich in der winzigen Polizeistation um rivalisierende Christen und Moslems, die auf Schiffe für die Weiterreise warteten. Unterkünfte gab es nicht. „Hunderte Flüchtlinge täglich machen Angst.“ Dennoch versorgte man sie, so gut es ging, auch medizinisch. Die russischstämmige Ärztin ist für Milona „eine kleine Heldin.“ Fotos der Journalistin zeigen inmitten idyllischer Landschaft vor blauem Meer heimatlose Menschen und Müllberge mit kaputten Schwimmwesten: zwei unvereinbar scheinende Welten.
Ein ähnliches Bild auf Kos, wo Milona die heruntergekommene Flüchtlingszuflucht Hotel Captain Elias besuchte. Im türkisch geprägten Urlaubsort Platani sprach sie mit einem Imam über die namenlosen Toten aus dem Meer, die oft erst nach Wochen oder Monaten angeschwemmt werden und die er bestattet, nach welchem Ritus auch immer. Die Gemeinde finanziert die Begräbnisse.
„Die Flüchtlinge wissen, dass man in Europa besser lebt, und sie werden kommen. Statt Gelder in absurde Zäune und Transitzonen zu stecken, sollte man es in sichere Fluchtwege investieren. Wenn wir nicht umdenken, trifft uns eine Mitschuld an Biografien, die tödlich enden können“, so das Fazit dieser klugen Beobachterin. LEA Ellwangen? „Traumhafte Bedingungen“, sagt Milona. Und meint es nicht ironisch.


DE_1446647999.pdf

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Marianthi Milona · Journalistin · Alteburgerstr. 40, 50678 Köln · mobil GR: +30.6972.640464 · mobil D: +49.151.20553695 · e-mail: milonamarie@netcologne.de