„Für mich liegt der Wert des Essens im geselligen Ereignis.“
Seit der Jahrtausendwende wurden Tausende Tote aus der Ägäis geborgen. Nur wenige Leichen können identifiziert werden. Die griechische Polizei sucht nach Erkennungsmerkmalen, ohne die Mithilfe anderer Flüchtlinge ist sie hilflos. Doch viele schweigen lieber. Zu groß ist die Gefahr, dass sie dabei ihre eigene Identität preisgeben würden. Nicht alle wollen das. Manchmal erfährt die Polizei immerhin, ob es sich bei einem Toten um einen Muslim oder Christen handelt. Selten findet man Papiere, die dem Ertrunkenen einen Namen, ein Gesicht geben könnten.
Wenn man das Herkunftsland des Toten tatsächlich ermitteln kann, wird die zuständige Botschaft informiert. Dann findet nur eine kurze Totenzeremonie vor Ort statt. Anschließend legt man den Toten in einen Sarg und überführt ihn in die Heimat. Doch der Imam Serif auf der Ferieninsel Kos, den unsere Autorin Marianthi Milona besucht hat, hat das nur wenige Male erlebt in seiner Gemeinde Platani. Fast immer müsse er den Toten selbst beisetzen, berichtet er. Und von Monat zu Monat werden es mehr. Vor allem, wenn das ruhige Wetter umschlägt, wenn es auf See stürmisch wird.
An manchen Tagen kommen allein auf Kos 160 Menschen an. In den meisten Fällen baut der Polizeichef der Insel auf die Mithilfe des Imams. Es wird nach Erkennungsmerkmalen gesucht. Wenn ein Toter beschnitten ist, geht die Polizei von einem Muslim aus. Trägt die Leiche ein Kreuz, dann wird der Metropolit von Kos eingeschaltet. Der Tote wird auf einem griechisch-orthodoxen Friedhof beigesetzt - anonym.
Und: Wohin mit den Lebenden?
Doch was den Menschen vor Ort zur Zeit noch mehr zu schaffen macht: Wohin mit den Lebenden, die auf den Straßen campieren? Überall auf den griechischen Inseln sind die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge - wenn es überhaupt welche gibt - in einem desolaten Zustand. Griechenland ist im Südosten mit seinen Inseln und langen Küsten der erste Anlaufpunkt in Europa. 50.000 Flüchtlinge wurden hier allein im ersten Halbjahr 2015 gezählt.
Marianthi Milona ging in Griechenland auf Spurensuche, wollte wissen, was mit Flüchtlingen ohne Papiere passiert, wenn ihnen ihr Weg in ein besseres Leben und in die Freiheit nichts brachte als den Tod.
Das Manuskript zum Nachlesen:
"Sterbe ich in eurem Land". Über anonyme Bestattungen von Flüchtlingen in Griechenland (PDF)
"Sterbe ich in eurem Land". Über anonyme Bestattungen von Flüchtlingen in Griechenland (Text)
Produktion: DLF 2015
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